„Vor zehn Jahren saßen wir mit einer Handvoll Leuten an unserem Küchentisch, heute haben wir 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Bärbel Heidebroek. Mit Visionen, Mut und politischem Rückenwind haben sie und ihr Mann Alexander aus einem Landwirtschaftsbetrieb in Niedersachsen ein florierendes Unternehmen der Energiewende gemacht: die Landwind-Gruppe.
Von dem kleinen Ort Gevensleben aus, rund 30 Autominuten südöstlich von Braunschweig, plant und projektiert die Landwind-Gruppe seit 2001 Windparks, betreibt sie und vermarktet auch den dort produzierten Strom. „Uns ist es wichtig, das gesamte Spektrum abzudecken“, sagt Bärbel Heidebroek. Parallel dazu läuft der Landwirtschaftsbetrieb weiter, den Alexander Heidebroek von seinen Eltern übernommen hat. Denn zwischen beiden Bereichen, so das Credo, bestehen viele wichtige Synergien.
Offensichtlich haben die Heidebroeks die Zeichen der Zeit für sich aus Überzeugung und mit Erfolg genutzt. Zunächst wurde die geräumige alte Scheune des Familiengehöfts in eine moderne, helle Bürolandschaft mit viel Fachwerk und großen Fensterflächen verwandelt. Weil die Teams dort schon bald nicht mehr alle Platz fanden, übernahm Landwind 2021 gleich nebenan ein altes landwirtschaftliches Wohngebäude und baute es aus. Und derzeit entsteht unweit davon dort, wo früher Getreidesilos standen, ein komplett neues Bürogebäude – mit Solarzellen auf dem Dach und zehn Ladesäulen für E-Autos vor der Tür. Landwind muss mit seinem Wachstum Schritt halten. Ein Wachstum, von dem auch die Region profitiert.
Die Ehepartner sind geschäftsführende Gesellschafter von Landwind. Ihr Interesse für Erneuerbare Energien begann während ihres Landwirtschaftsstudiums. „Als wir die ersten Windparkprojekte sahen, dachten wir, das können wir auch selber“, erinnert sich Bärbel Heidebroek. Und dann entwickelte es rasch eine eigene Dynamik. „Wir haben immer wieder neue Ideen und versuchen, nicht stehen zu bleiben.“ Ein Erfolgsfaktor sei die Bodenständigkeit. „Wir kommen aus der Landwirtschaft und sind hier verwurzelt. Wir verstehen die Probleme der Landwirtinnen und Landwirte“, sagt sie. Und weil sie weiß, wie wichtig praktisches Know-How und Erfahrung sind, um politische Prozesse voranzutreiben, investiert Bärbel Heidebroek als Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE) und Vizepräsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) zudem viel Zeit in die Verbandsarbeit in Berlin.
13 neue Stellen sind derzeit auf der Landwind-Homepage ausgeschrieben, sowohl für Neu-als auch für Umsteiger*innen. Auch davon gibt es einige. Der Vermessungstechniker Frank Biermann kam 2021 zu Landwind, mit damals Mitte 50 und nach vielen erfolglosen Bewerbungen. Nach 38 Jahren hatte er seinen alten Job in der Planungsabteilung eines Braunkohleunternehmens verloren. Dann sah er bei Landwind die auf ihn zugeschnittene Stelle und bekam gleich eine Zusage. „Früher war ich einer der Jüngsten im Team, hier bin ich einer der Ältesten“, sagt er mit einem Lachen. Ihm gefällt die junge Energie im Unternehmen, man duzt sich und die Chefs, die Hierarchien sind flach, der Umgang entspannt. „Das macht gigantischen Spaß.“ Biermann ist viel mit seinem GPS-Gerät im ganzen Landkreis unterwegs und vermisst neue Standorte für Windparks. Demnächst wird auch seine Partnerin aus Berlin nach Gevensleben ziehen. Er hatte ihr empfohlen, sich bei Landwind zu bewerben - und auch sie wurde sofort genommen. Für Frank Biermann hat die Windenergie auch persönlich eine Wende gebracht.
Seine Kollegin Britta Denecke machte sich aus eigenen Stücken auf den Weg zu ihrem neuen Arbeitgeber. Es war eine bewusste und mit der Familie gemeinsam gefällte Entscheidung, ihren Job als Werkskoordinatorin in der Automobilzuliefererbranche aufzugeben und in die Erneuerbaren Energien einzusteigen, erzählt sie. „Ich brauchte eine Veränderung.“ Sie arbeitet nun bei Landwind im Operativen Management und fährt mit ihrem E-Bike zur Arbeit. „Es fühlt sich so viel besser an als früher.“
Dass Landwind trotz seines Firmensitzes fernab der Metropolen keine Nachwuchsprobleme hat, liegt neben flexiblen Arbeitsbedingungen, dem guten Ruf und der guten Vernetzung in der Region auch an der professionellen Bespielung der Kommunikationsklaviatur. Die ist dem Team rund um die Agrarökonomin Stefanie Mertz zu verdanken. Die gebürtige Gevenslebenerin ist quasi von Landwind-Beginn an dabei und erklärt den Aufbau und Betrieb einer Windenergieanlage so, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Ihr Team füllt Internet- und Social-Media Auftritte, sie hält Kontakt zu den Menschen vor Ort, Bürgerinitiativen oder Bürgerstiftungen, kennt Bürgermeister, Landwirte, Bauunternehmer. „Eine offene Kommunikation ist das A und O“, sagt sie.
Zur Baustellenbesichtigung des neuen Windparks in Cramme II mit der Bauleitung vor Ort sitzt man im Baucontainer am Tisch und bespricht mit Thomas Vetterlein und Andreas Tyl das aktuelle Projekt und seine Herausforderungen. Im Windpark Cramme II werden sechs Anlagen des Hersteller Nordex vom Typ N163/6.X mit jeweils 164 Meter hohen Türmen errichtet. Einschließlich der Rotorblätter erreichen sie eine Gesamthöhe von 245 Meter und werden jährlich insgesamt rund 96 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie produzieren. Thomas Vetterlein erzählt von Transportherausforderungen und Lieferengpässen, nicht geeigneten Straßen und komplizierten Genehmigungsverfahren. Es könnte alles viel schneller gehen, so das Fazit. Draußen auf den Feldern liegen auf dem bereiteten Untergrund bereits die 80 Meter langen Rotorblätter. Der Turm, der sie bald tragen soll, wird gerade errichtet.
An einem Tag in Gevensleben ist erlebbar, wie viele Jobs auch außerhalb des Firmensitzes in Verbindung mit den Windparks stehen: Im 2006 gebauten und 2011 erweiterten Windpark Söllingen unweit des Firmensitzes werden derzeit im Rahmen des Repowering 17 alte Anlagen zurückgebaut und durch neue, höhere und erheblich leistungsfähigere ersetzt. Sie können auf gleicher Fläche das Dreifache an Energie produzieren.
Dort bereitet Thomas Willke mit einer Walze die Stellflächen für den Kran vor, der einen soliden Untergrund benötigt. Am Rand steht sein Chef Hendrik Stumpf, Geschäftsführer der regionalen Tiefbaufirma Gerhard Suchot GmbH, und erklärt, dass es hier um weit mehr geht als um Erdbewegung. Das feuchte Gebiet ist unterirdisch mit Entwässerungsdrainagen durchzogen, um den Boden landwirtschaftlich nutzen können. Diese Drainagen müssen für die Windparkbaustellen aufgenommen und wieder verlegt werde, ebenso wie die Kabel zu den Windrädern, um dann das Fundament und die Zufahrtswege zu bereiten. Stumpfs Firma arbeitet für mehrere Windparks, diese Aufträge machen 50 Prozent des Auftragsvolumens für das Unternehmen und seine derzeit 36 Mitarbeiter aus.
Drainagen gehören zu einem der vielen Bereiche, in denen Landwirtschaft und Windparkbetreiber Hand in Hand arbeiten müssen. Landwind kommt dabei zugute, dass das Unternehmen die Landwirtschaft nie aufgegeben hat. „Wir kennen die Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte, auf deren Boden wir Windparks errichten“, sagt Stefanie Mertz. Man ist quasi einer von ihnen.
Um auch die übrige Bevölkerung und die Anwohnerinnen und Anwohner mit ins Boot zu holen, setzt Landwind auf eine aktive Kommunikation und geht auch auf die Bedenken der Skeptiker ein. Die muss man nicht unbedingt mit grünen Argumenten überzeugen. Auf Baustellenbesichtigungen oder nächtlichen Events rund um die Anlieferung der beeindruckenden Rotorblätter kommen auch nicht ökoaffine Technikfans ins Schwärmen, erzählt Landwind-Mitarbeiter Niklas Paluch. Solche Baustellenbesichtigungen gehören bei Landwind zum festen Programm.
Für die Jüngsten in der Region hat Landwind das Erlebnisland Windenergie geschaffen. Auf dem weitläufigen, umzäunten Natur-Gelände können Kinder mit kleinen Windrädern experimentieren oder an der Hand von Landwind-Maskottchen Willi Windrad auf einem Balken balancieren, der mit 80 Metern so lang ist wie ein modernes Rotorblatt. So wird schon der Nachwuchs an die Windenergie herangeführt und lernt, wie aus Wind Strom entsteht.
An den Wänden unter dem offenen Holzpavillon hängen kindgerechte Infos und Fragespiele rund um das Thema. Etwas geschützt vor der eisigen Kälte stehen hier der Söllinger Bürgermeister Udo Maushake und die Vorsitzende der Windparkstiftung Heike Kremling und berichten, wie wichtig neben der Kommunikation auch die finanziellen Zuwendungen aus den Windparks für die Akzeptanz in der Bevölkerung sind. Die Gemeinde profitiert von der Gewerbesteuer und der Akzeptanzabgabe (0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde Strom), die Windparkstiftung von freiwilligen Zuwendungen, mit denen sie zum Beispiel Vereine, Feuerwehr und Schulprojekte unterstützt. Auch dass der zur Landwind-Gruppe gehörende Ökostromversorger LandStrom für die Anwohnerinnen und Anwohner einen vergünstigten Nachbarschaftstarif anbiete, sei gut angekommen, sagt Heike Kremling. Darüber hinaus können Bürger*innen seit 2022 Mitglied in der LandEnergie Bürger eG werden und sich direkt finanziell an einigen der Windparks beteiligen.
Mit dem Repowering der Anlagen und deren Leistung steigen die kommunalen Einnahmen, rund 400.000 Euro pro Jahr sind dies allein für Söllingen und die angrenzenden Gemeinden. „Die Windkraft hat Geld und qualifizierte Arbeitsplätze in die Region gebracht“, sagt Udo Maushake. Mit den Jahren sei der Widerstand immer weniger geworden. Die Argumente und Vorteile erreichen die Menschen. „Die Windparks sind eine Riesenchance für unsere Gemeinde. Daran hat kaum noch jemand einen Zweifel.“
Text von Petra Krimphove